Gefahr durch Feinstaub ist belegt, aber die EU scheut harte Grenzwerte

KHK-Patienten kann man einen möglicherweise lebensrettenden Tipp geben: Umziehen. Zumindest wenn sie an dicht befahrenen Straßen oder in großen Städten mit häufigen Inversionswetterlagen leben. Denn in Gebieten mit besserer Luft könnte ihr Leben deutlich länger sein. Auch Kindern sollte man keinen konzentrierten Cocktail aus Feinstaub und Autoabgasen zumuten, denn das schadet den Lungen.

Allgemein wird sich an der Luftqualität in absehbarer Zeit wenig ändern. Die EU plant zwar neue Grenzwerte für Feinstaub, diese sollen aber erst ab 2015 verbindlich sein. Wahrscheinlich sind sie so hoch angesetzt, dass nur wenige Kommunen etwas unternehmen müssen. Im vergangenen Herbst hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die EU-Grenzwerte als viel zu hoch bezeichnet. Grund dafür sind Studien, wonach Feinstaub einer der gefährlichsten Luftschadstoffe ist:

Auf einem US-Kongress im vorigen Jahr wurde bekannt, dass Menschen mit Diabetes, Herzinsuffizienz, COPD oder Rheuma eine deutlich geringere Lebenserwartung haben, wenn sie viel Feinstaub einatmen. Steigt die Belastung mit Partikeln, die kleiner als 10 µm sind (PM10-Wert) im Jahresmittel um 10 µg/m3, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von zwei Jahren zu sterben - egal aus welcher Ursache -, um knapp ein Drittel. In einigen Ballungszentren in Deutschland liegt der Jahresmittelwert über 35 µg/m3.

In einer deutschen Studie wurden 4800 Frauen zehn Jahre lang beobachtet. Frauen, die an stark befahrenen Straßen wohnten, starben früher als jene in ruhigeren Gebieten - und zwar vermehrt an kardiopulmonalen Ursachen. Bei Erhöhung des PM10-Jahresmittelwertes um 10 µg/m3 steigt die Zehnjahresmortalität um neun Prozent.

Die WHO hat für den besonders lungengängigen PM2,5-Feinstaub einen Richtwert von 10 µg/m3 festgelegt, der im Jahresmittel nicht überschritten werden sollte. In den USA liegt er mit 15 µg/m3 deutlich höher. In der EU streiten die Gremien noch darum, ob er bei 20 oder 25 µg/m3 liegen wird. Für den etwas weniger schädlichen gröberen Feinstaub (PM10) wünscht sich die WHO einen Grenzwert von 20 µg/m3. Das EU-Parlament jedoch möchte ihn auf 33 µg/m3 senken, der EU-Ministerrat wiederum bei 40 µg/m3 belassen. Die Entscheidung soll in den nächsten Monaten fallen.

Thomas Müller - Ärzte Zeitung 20.2.2007